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Kindheitserinnerungen

Damals, als kleiner Junge, aufgewachsen in Hägglingen, ein kleines aber feines Dorf im Kanton Aargau, waren die Strassen noch nicht so stark befahren wie heute. Problemlos konnten wir unsere Quartierstrasse in Beschlag nehmen und mein Bruder und ich kurvten vor dem Haus herum, fuhren die kleine Anhöhe hinauf und sausten sie wieder herunter. Helm oder Schutzausrüstung waren damals noch ein Fremdwort. Verschwommen kann ich mich an diese unbeschwerte Zeit erinnern. Ich erinnere mich, dass wir aus alten Holzbrettern Rampen gebaut und mit vollgas darüber schossen. Belastungen, für das mein Kinderrad nicht gebaut wurde und es dadurch zu Bruch ging. Meine Vater schweisste den gebrochenen Rahmen jedesmal wieder zusammen, nur damit er bei der nächsten tollkühnen Aktion wieder zu Bruch ging. Das waren unbeschwerte Kinderjahre. Damals war ich vom Film „BMX Bandits“ restlos begeistert. Der Film, mit der jungen Nicole Kidman“ flimmerte 1983 über die Kinoleinwände, in meinem Geburtsjahr. Wann ich genau den Film zum ersten mal gesehen habe, daran erinnere ich mich nicht, was bis heute jedoch im Gedächtnis blieb, sind die farbigen BMX Bikes mit dem Mongoose Schriftzug. Von da an wünschte ich mir immer ein Mongoose BMX und wollte auch solche coolen Tricks können, genau wie die Darsteller aus dem Film. Das schienen die ersten Anzeichen für eine Bike Affinität zu sein.

Der Weg zur Schule

Ein Teil meiner Oberstufenzeit pilgerte ich täglich zweimal von Hägglingen, in die Bezirksschule nach Dottikon und zwei mal zurück nach Hause – selbstverständlich mit dem Fahrrad. Ich weiss noch, wie ich beim lokalen Velohändler ein Fahrrad aussuchen durfte, die Eltern bezahlten. Ein knallgelbes Giant, graue Reifen aufgezogen, auffällig wie ein bunter Hund. Damals noch keinen blassen Schimmer von Bikes und genauso wenig Interesse daran. Es musste schlicht cool aussehen. Leider existieren keine Fotos von meinem gelben Drahtesel. Mit meinem neuen Fortbewegungsmittel radelten ich also täglich zur Schule und zurück. Auf dem Heimweg übte ich ständig das Bike aufs Hinterrad zu kriegen. Das Wheelie wurde bald zum Kinderspiel und der halbe Heimweg wurde auf dem Hinterrad den Berg hoch gestrampelt. Das waren geile Zeiten!

Mit 14 Jahren wurde das Bike durch ein Mofa abgelöst, die Faulheit siegte, in den Teenager Jahren sowieso. Das gelbe Giant wurde in den Schuppen verbannt und ging mit der Zeit vergessen, Mofa Tuning war nun viel interessanter und cooler. Das Bike war ein Mittel um von A nach B zu gelangen, dass Mofa hingegen war mehr: das erste eigene Fahrzeug, ich kamen mir wie ein Held auf zwei Rädern vor. Auf die Geschichten als „Töffli Bueb“ gehe ich nicht näher ein, immerhin geht es hier um meine Liebe zu Mountainbikes.

Verloren gegangen

Danach bin ich für eine lange Zeit, eine sehr lange Zeit sogar, nicht mehr auf dem Fahrrad gesessen – leider. In den Teenagerjahren legte ich stark an Körperfülle zu und jegliche Bewegung war eine zuviel – bis ich 30 Jahre alt wurde. Im Hinterkopf, in den Tiefen meines Gedächnisses, erinnere ich mich daran, dass ich auf einem Bike stets grossen Spass hatte. Wenn schon Gewicht verlieren, dann mit etwas, dass Spass machte. Mein gelbes Giant war nicht mehr, keine Ahnung was damit passierte. Mein Keller war leer, ich war „fahrradlos“. Joggen war mir einfach zu langweilig, ich wollte nicht einfach Sport treiben nur um mich bewegt zu haben, gleichzeitig wollte ich was erleben, neue Orte entdecken, abseits der Strassen, raus aus dem Dorf, hinaus in die Natur.

Die erste grosse Mountain Bike Enttäuschung

Wie der Zufall so wollte, verkaufte eine Freundin ihr vollgefedertes Mountainbike. Ich war von der Vorstellung begeistert, eines dieser Fullys fahren zu dürfen und über Stock und Stein zu brettern. Von Bikes hatte ich zwar immer noch keine Ahnung aber hey, es war ein Fully. Somit ging ich auf das Angebot ein und kaufte ihr gebrauchtes K2 Mountainbike. Doch der Funken ist auch nach Dutzenden Ausfahrten nie übergesprungen, ich verliebte mich einfach nicht ins Biken. Ich verlor zwar Gewicht durch die Bewegung, richtig Spass stellte ich mir anders vor. Damals war ich wohl noch nicht bereit dazu, das nötige Feuer fehlte, der Durchhaltewille war von kurzer dauer und die Motivation nicht vorhanden. Das Bike landete bereits Ende Sommer wieder in der Versenkung und ich liess es links liegen. Das K2 mochte ich eigentlich schon, es sah cool aus, trotzdem wurden wir nie Freunde.

K2 Mountain Bike
Mein erstes Mountain Bike. Wie alles begann

Da ich damals am Essverhalten nichts änderte war ich im nächsten Frühjahr wieder genau gleich schwer wie zuvor, wenn nicht sogar noch schwerer. Das war etwa mit 25 oder 26 Jahren. Joggen machte mir keinen Spass, Biken genauso wenig, daher gab ich Sport schnell wieder auf und kümmerte mich um andere Dinge. Das Giant rostete weitere 5 Jahre vor sich hin, bis ich endlich die Wende einläutete und ich begann mein Leben zu verändern. Es brauchte viel bis ich endlich an diesem Punkt ankam, mein Leben endlich in die Hand zu nehmen und den Kampf gegen die überschüssigen Pfunde anzutreten. Erst jetzt öffnete ich meine Augen für viele Dinge und merkte schnell. wie grossartig Mountainbiken ist. Biken macht Spass, das wusste ich, damals startet ich einfach komplett falsch. Ich entschied daher nochmals einen Versuch zu starten, um mich mit einem Bike anzufreunden. Doch nicht mit dem alten K2, zu schlecht waren die Erfahrungen. Ein Neues musste her.

Ein Neuanfang mit einem modern Mountain Bike

Jahre später hatte ich immer noch keinen blassen Schimmer von Mountainbikes und kaufte einfach ein möglichst günstiges, aber trotzdem gutes Fully, so hoffte ich jedenfalls und vertraute voll und ganz dem Fachwissen des Verkäufers einer grösseren Detailhandelskette mit orangem Logo. Mein Entscheid viel zum Schluff auf ein AMR 5900 der deutschen Marke GHOST. Ein Einsteigerfully mit guter Ausstattung, und ich war ja auch ein Einsteiger. Diesmal sollte die Geschichte aber anders ausgehen und nicht als rostiger Drahtesel im Keller enden. Diesmal machte ich von Beginn an vieles richtig. Ich find endlich an vermehrt radzufahren. Dieses neue Gefühl beim Biken gefiel mir auf einen Schlag verdammt gut. Meine Zeit im Sattel nahm zu, fast schon täglich schwingte ich meinen Hintern auf mein Bike und klapperte die Waldwege in meiner Umgebung ab. Ja, ich hatte Spass, grossen Spass sogar. Die ersten kleinen Hindernisse wurden überrollt, im Schneckentempo, mit einer Heidenangst, doch es fühlte sich wie „Race Mode“ an und die kleinen Absätze erschienen wie meterhohe Sprünge. Der erste Funke sprang definitiv über und es könnte sich tatsächlich was daraus entwickeln. Der Beginn einer romantischen Liebesgeschichte 😀 . Die Pfunde schmolzen nur so dahin. Mountainbike, ja, das ist es, das ist mein Sport. Endlich fand ich etwas, dass mir enormen Spass bereitete und jedesmal ein breites Grinsen ins Gesicht zauberte.

Ghost AMR 5900
Neues Bike und neue Leideschaft

Angetrieben durch die Freude am Mountainbiken und den Drang immer mehr Zeit auf dem Bike zu verbringen, übermannte mich der Drang, endlich ein richtig krasses Bike zuzulegen, Budget war dieses Mal leider auch begrenzt. Ich recherchierte im Internet, studierte Fachmagazine und klapperte die lokalen Händler ab. Traumbikes wie Santa Cruz, Yeti und Trek überstiegen meine finanziellen Mittel und bleiben bis heute Traumbikes. Ich sträubte mich auch davor, für ein Bike mehr auszugeben, als für einen Kleinwagen. Nach intensiver Suche entdeckte ich die Marke Cube. Die Designs, Ausstattung und das Preis/Leistungsverhältnis gefiel mit von Anfang an sehr gut. Cube ist eine deutsche Bikemanufaktur, die einfache aber äusserst gute Bikes herstellt. Ich durchforschte das Händlerverzeichnis um einen Verkäufer in der Nähe zu finden. Das Verzeichnis spukte den Sportpark Aare-Rhein in Würenlingen aus. Zugleich ging ich zum Fachhändler um mir genau das Bike auszusuchen, dass ich haben wollte. In meinem Kopf hatte ich genaue Vorstellungen was mein Bike haben und können muss. Perfekt wurde ich von Geschäftsführer Ivo beraten und fand sehr schnell zu meinem heutigen Bike, einem Cube Stereo Super HPC mit 160mm Federweg an Front und Heck. Ein Bike, auf dem ich mein Fahrkönnen noch lange verbessern konnte. Die knallgrüne Farbe gefiel mir, ein Bike um aufzufallen. An meine Geburtstag durfte ich meine neue Shredderwaffe in Würenlingen abholen. An diesem Tag hatte ich extra frei, damit ich ihn vollends ausnutzen konnte und ausgiebig das Cube Stereo testen. Das neue Bike schlug ein wie eine Bombe, ich war restlos begeistert und sofort schwer verliebt, Liebe auf den ersten Blick könnte man sagen. Seit diesem Augenblick, dank diesem Bike, konnte ich nicht mehr genug kriegen, von Bikes, Trails, Dreck, einfach von der ganzen Bikerei. Von da an hatte mich die Leidenschaft „Mountainbike“ gefesselt und lies mich nicht mehr los. Mein ganzes weiteres Leben wollte ich auf dem Bike verbringen, die Freiheit geniessen, die Welt entdecken. Ein unbeschreibliches Gefühl, überschwemmt von Glücksgefühlen, vollgepumpt mit Endorphinen.

Erweiterung des Fuhrparks

Später kamen etliche Bikes dazu. Nach den ersten Monaten auf dem neuen Cube, das ich liebevoll „Fröschli“ nenne, gesellte sich ein weiteres Bike dazu, mein Fuhrpark vergrösserte sich auf zwei Fahrräder. Das Bergrunterdonnern machte so viel Spass, dass mein zweites Bike bereits ein Downhill Bike war (Scott Gambler 730). Danach kamen innert kürzester Zeit ein Hardtail, ein Dirtbike, ein Rennrad und ein Fat Bike dazu. Heute umfasst meine Sammlung aktuell 7 Fahrräder. Die Bikes werden permanent verbessert und mit neuen Teilen ausgestattet, wie damals beim Motorfahrrad 😀 . Sie werden liebevoll gehegt und gepflegt. Man könnte mich schon beinahe als „Sammler“ betiteln.

Mountain Biking ist perfekt

Mountainbiking wurde für mich zum heiligen Gral, man kann es auch Sucht nennen, Liebe, Leidenschaft oder Erleuchtung. Es gibt dafür viele Ausdrücke und Umschreibung, doch keine trifft es genau auf den Punkt was Mountainbiking für mich bedeutet. Es wurde zur Medizin für meine Krankheit „dick sein“. Hindernisse mit dem Bike zu überwinden half mir auch, meine Hindernisse im Leben zu überwinden. Stärkung des Gleichgewichtssinns verbesserte auch mein Gleichgewicht im Leben. Mit dem Drang neue Trails zu entdecken, entdeckte ich auch neue Wege für mich selbst. Mich den Ängsten vor schwierigem Gelände, hohen Sprüngen und verblockten Hindernissen zu stellen, stellte ich mich auch meinen Ängsten vor dem Leben. Alle Emotionen und Gefühle die ich auf dem Mountainbike erlebe, erlebe ich auch in meinem täglichen Sein. Bin ich aufgeregt, komme ich auf dem Bike wieder zur Ruhe, bin ich gelangweilt, erwache ich auf dem Bike zu neuem Leben, bin ich traurig, fange ich auf dem Bike wieder an zu lachen. Bei jeder Abfahrt verspüre ich Glücksgefühle, die mir vermitteln unsterblich zu sein, alles schaffen zu können und niemals aufzugeben. Die Angst beim Biken hat schlussendlich den selben Effekt. Auf dem Bike bin ich auf mich alleine gestellt, ich muss mich mit mir alleine auseinandersetzen und lerne dabei meine Gefühle, Ängste, meinen Körper und sogar meine Seele besser kennen. Es ist wie Meditation, wie eine Verjüngungskur und die beste Therapie. Sobald ich mit dem Bike die Strasse verlasse und auf den Trail abbiege, fühle ich mich absolut frei und geniesse jeden einzelnen Moment. Keine Ausfahrt gleicht der anderen und jede Tour ist ein besonderes Erlebnis. Mountainbiking verlangt meine volle Aufmerksamkeit und trainiert all meine Sinne. Biken verbindet und schafft neue Freundschaften. Mountainbiking macht mich gelinde gesagt: einfach glücklich. Und als Sahnehäubchen gibt es wunderschöne Landschaftsbilder und fantastische Aussichten kostenlos dazu. Durch all die genannten Gründe und wahrscheinlich noch vielen mehr, wurde Mountainbiking meine grösste Leidenschaft und wird mich hoffentlich ein Leben lang begleiten. Life is better on a mountain bike – für mich bedeutet es das wirklich.

Kein Verzicht auf Essen

Im nächsten Kapitel „Kein Verzicht auf Essen“ beschreibe ich meine Angst, nicht mehr all die leckeren Sachen essen zu dürfen.

Marc Schürmann

Ich wurde 1983 geboren und wohne in Graubünden. Ich bin der Gründer von allmountain.ch und blogge über meine grösste Leidenschaft, dem Mountainbiken.

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