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Rider of the month

Jeden Monat werden eine leidenschaftliche Mountainbikerin oder ein leidenschaftlicher Mountainbiker vorgestellt. Sie erzählen uns ihre Geschichte rund ums Fahrrad. Ich freue mich, euch jeden Monat eine wichtige Persönlichkeit für unseren Mountainbike Sport vorzustellen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass Sie viel für unseren Sport tun, sei es als Profi, als Bike Guide, als Tourismusexperte oder als ganz normaler Biker. Alle diese grossartigen Persönlichkeiten haben es verdient vorgestellt werden. Vielen Dank für euer Engagement.

Gerhard Czerner im Interview

Gerhard Czerner war vor längerer Zeit schon bei mir im Interview. Normal stelle ich Mountainbiker:innen aus der Schweizer Community vor, aber Gerhard kennt man eigentlich auch in der Schweiz. Er ist auf vielen epischen Bikefotos und oft mit dem Sportfotografen Martin Bissig unterwegs. Er war auch schon mit Hans Rey oder Danny MacAskill unterwegs. Über seine Fahrtechnik muss ich nicht viele Worte verlieren, biken kann er einfach. Ich freue mich, euch diese Persönlichkeit des Mountainbikesports vorzustellen. Vielen Dank Gerhard für dein Engagement.

Hallo Gerhard, erzähl uns doch kurz wer du bist.

Servus zusammen, ich heisse Gerhard Czerner, bin 1976 in Augsburg geboren und fühle mich geehrt, dass ich hier zum «Rider of the month» nominiert wurde! Danke.

Gerhard Czerner - Mountainbiker und Abenteurer
Gerhard Czerner – Mountainbiker und Abenteurer.

Wie hast du angefangen Mountainbiken?

Schon als Kind gab mir das Fahrrad ein Stück Freiheit. Ich konnte mich weiter von Zuhause fortbewegen als zu Fuss, und so die Umgebung entdecken. Als Teenager war ich dann jeden Tag nach der Schule mit meinem Rad im Wald unterwegs. Mein erstes Mountainbike kam bald. Es war ein Winora Hardtail, von meinem Nachbarn. Viel zu gross für mich, aber eben ein MTB. Ich bin mit BMXern in der Nachbarschaft aufgewachsen und so schon immer spielerisch unterwegs gewesen. Über ein paar Leute bin ich dann zum Trial fahren gekommen, hab mir ein kleineres Fahrrad gekauft, und bin dort hängen geblieben. Eine Zeitlang bin ich mehr Höhenmeter gehüpft als gefahren. Wenn ich zurückdenke, sitze ich seit über 25 Jahren auf dem Bike.

Gerhard Czerner auf den Concordia Platz in Pakistan
Gerhard Czerner ist mit Trial gross geworden.

Warum gerade Mountainbiken?

Mountainbiken ist für mich sehr vielfältig. Schon früh war es mein Beruf, ich bin Trailshows gefahren und hab so Geld verdient. Dann kamen Aufträge als Fotofahrer und Fahrtechniktrainer hinzu. Ich bin als Guide viel in der Welt unterwegs, darf meine Erfahrung als Ausbilder für MTB Guides weiter geben und bin als Radreisender oft auf Tour, berichte in Magazinen von meinen Reisen, mache Videos und erzähle auf Vorträgen von meinen Erlebnissen. In all der Zeit habe ich über das Radfahren viele Freundschaften knüpfen können. Es ermöglicht mir meinen Horizont zu erweitern und es bereitet mir jede Menge Freude auf zwei Rädern unterwegs zu sein. Es ist für mich auch eine Möglichkeit mich auszudrücken, sei es beim kreativen Fahren oder in Wort und Bild. Für mich ist es auch Sportgerät und Fortbewegungsmittel.

Gerhard Czerner mit dem Bike in Israel
„Es ist für mich auch eine Möglichkeit mich auszudrücken, sei es beim kreativen Fahren oder in Wort und Bild“

Dann stehen bei dir bestimmt viele Bikes rum?

Mein Fuhrpark ist bunt, vielfältig und (zu) gross. Neben ein paar «Spezialbikes» wie Trail- und Dirt-Bike, fahre ich diverse Modelle der Palette von Liteville. Hier habe ich oft so eine Zeit, wo ich viel das Eine, dann das Andere fahre. Oder ich entscheide mich bei einer Reise für ein bestimmtes Modell. Zum Beispiel waren wir in Chile an einem 6735 m hohen Vulkan unterwegs. Mir war vorab klar, das Bike verbringt dort mehr Zeit auf mir, als ich auf ihm. Wir haben tagelang das Bike hochgetragen, die Abfahrt ist im Gegenzug dazu in ein paar Stunden vorbei. Da habe ich ein Hardtail, das H3, mitgenommen, weil mir das geringe Gewicht wichtiger war als der Abfahrtskomfort. Auf dieser Höhe hält es sich mit schnell und aggressiv fahren eh in Grenzen. Wenn man denn überhaupt was fahren kann. Aber das ist eine andere Geschichte.

Mit dem Bike in Tibet
Auf den Abenteuern von Gerhard Czerner wird das Bike oft getragen.

Wo bist du überall anzutreffen?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten mich auf dem Bike zu treffen, aber ganz leicht ist das zugegeben nicht, es gibt hier keine Regelmässigkeit. Man kann es sich neben einem Dirt- oder Skatepark gemütlich machen, mit viel Geduld auch neben einer Bikeparkstrecke und mich dort treffen. Sonst muss man sich eher zu Fuss auf den Weg machen, da ich oft und gern im alpinen Gelände unterwegs bin, welches meist nur mit dem Rad am Rücken zu erreichen ist. Auch sollte man unter der Woche vormittags Zeit haben, da ich das Privileg habe, oft dann aufs Bike steigen zu können. Man trifft mich im Himalaya, dem Karakorum, am Kilimandscharo, in Israel, in Tibet, dem Oman oder an irgendwelchen Bergen dieser Erde. Ein Blick in den Steinbruch kann auch helfen, um mich am Trialbike zu entdecken. Die Abwechslung ist mir wichtig und hält meine Begeisterung für den Radsport am Leben.

Gerhard Czerner trägt sein Bike au den Kilimanjaro
Gerhard Czerner war schon im Himalaya, dem Karakorum und wie hier am Kilimanjaro.

Welches Bikeerlebnis war für dich unvergesslich?

Es gab viele großartige Erlebnisse in meinem Bikerleben, ich nenne mal ein paar: Der Pilgerweg um den „Khawa Karpo“, einen heiligen Berg in Tibet, war sehr beeindruckend. Die Befahrung des Djebel Toubkal, mit 4167 m der höchste Berg Nordafrikas. Unsere Reise in den Oman, von dem ich davor noch gar nichts wusste. Nicht einmal eine Vorstellung hatte ich von dem Land. Die Befahrung von Mt. Kenia und Kilimanjaro hintereinander, gemeinsam mit Hans Rey und Danny MacAskill gehört sicher auch dazu. Die Radexpedition zum «Llullaillaco» in Chile, dem dritthöchsten Vulkan der Erde.

Und ein absolutes Highlight ist mein diesjähriger Trip im Karakorum zum „Concordia Platz“, dem „Thronsaal der Berggötter“ gewesen. 12 Tage haben wir unsere Bikes über endlose Gletscher geschoben – getragen – gefahren, umringt von 7 und 8000 Meter hohen Bergen. Noch nie habe ich eine so steile, majestätische Berglandschaft gesehen wie dort in Pakistan. Beeindruckend war auch die Freundlichkeit und Begeisterung der Bevölkerung uns gegenüber. Wir hatten den Eindruck, Pakistan und seine Bewohner haben genauso viel Interesse an uns, wie wir an ihnen. Wie wenig wissen wir doch über manche Länder, haben ein oft einseitiges Bild im Kopf, entstanden durch Medienberichte. Auch das ist für mich beim Reisen jedes Mal ein Abenteuer: die eigenen Bilder im Kopf neu zeichnen zu lassen und dabei Fantasien durch Erfahrungen zu tauschen.

Gerhard Czerner, Hans Rey und Danny MacAskill mit dem Bike auf dem Gipfel des Kilimanjaro
Zusammen mit der Bikelegende Hans Rey und Danny MacAskill bezwang er den Kilimanjaro.

Was fordert dich heute noch heraus?

Sportlich gesehen waren es früher immer die Wettkämpfe: auf den Punkt die Leistung abrufen zu können. Heute habe ich die sportlichen Herausforderungen oft auf meinen Reisen. Sicher eine der härtesten Zeiten mit dem Bike hatte ich diesen Sommer in Pakistan. Um den «Concordia Platz» zu erreichen, mussten wir einen 5600 m hohen Pass, den «Gondogoro La», überwinden. Ausgerüstet mit Steigeisen, Klettergurt und Steigklemme haben wir uns Nachts 1000 hm zum Teil an Fixseilen über eine abschnittsweise senkrechte, vereiste Wand hinauf gekämpft, mit über 20 kg und den Bikes auf dem Rücken. Um 21 Uhr Abends sind wir gestartet. Um 6 Uhr Morgens waren wir am Pass. Aber damit nicht genug. Bis wir unseren Lagerplatz erreicht haben, hat es noch bis 19 Uhr gedauert. Wir waren 22 Stunden unterwegs, mit nur zwei Stunden Pause dazwischen.

Aufstieg zum Gondogoro La in Pakistan
„Ausgerüstet mit Steigeisen, Klettergurt und Steigklemme haben wir uns Nachts 1000hm zum Teil an Fixseilen über eine abschnittsweise senkrechte, vereiste Wand hinaufgekämpft mit über 20kg und den Bikes auf dem Rücken.“

Hast du eigentlich Angst beim Biken?

Ich sehe Angst als ein freundliches, mir gut gesinntes Gefühl, welches mich vor Verletzung oder Vernichtung schützt. Dafür ist dieses Gefühl seit Urzeiten da, es soll uns beschützen. Wir haben Angst vor einem tiefen Abgrund: klar, wenn wir dort hinunterfallen, verletzen wir uns. Also halten wir Abstand und verhalten uns so, dass nichts passiert. Dank der Angst. Wenn ich vor einer schwierigen Passage Angst habe, schaue ich sie mir genau an, warum das so ist. Wenn ich nach dieser Analyse noch immer Angst habe, dann fahre ich sie heute, jetzt und hier eben nicht. Vielleicht ist Morgen alles anders, oder wenn ich noch hundert andere, ähnliche Passagen gefahren bin. Wenn ich vor derselben Passage Respekt habe, dann versuche ich sie, verlasse die Komfortzone, wenn ich mich gut fühle.

Die Angst hat bei uns oft einen schlechten Stand, ist etwas Negatives. Aber ehrlich, wahrscheinlich würden wir schon in jungen Jahren sterben, wenn wir keine Angst hätten. Ich wäre ganz sicher schon lange tot. Wir versuchen oft verzweifelt Angst zu vermeiden, anstatt uns mit ihr auseinander zu setzen und mit ihr umgehen zu lernen.

Beim Sport sehe ich oft, dass die Leute Angst haben, weil sie sich überfordern. Um den grossen Drop sicher zu springen, braucht es halt tausende kleine Drops davor. Dreimal von 50 cm zu springen und dann auf 2 Meter zu steigen ist sicher keine gute Idee. Klar habe ich da so grosse Angst, dass sie mich blockiert. Gut so! Recht hat sie, die Angst. Wenn wir uns mit der Angst auseinandersetzen, dann kommen wir auch dahinter, dass es verschiedenste Ängste gibt. Reale Ängste wie Absturz, Steinschlag, Gewitter. Aber auch „unreale“ Ängste gibt es, welche uns oft umtreiben: sozialer Absturz, mangelnde Anerkennung, Zurückweisung usw. Angst zu haben ist halt nicht cool. Aber normal. Wir können uns sicher sein, auch der/die mutigste BikerIn hat vor irgendwas Angst. Und wenn es nur die Angst ist nicht mehr der/die mutigste BikerIn zu sein, wenn er/sie den Drop heute nicht springt. 🙂

Man sieht es Gerhard Czerner auf seinen Bildern nicht an aber auch er verspürt manchmal das Gefühl von Angst.

Du hast dich bestimmt schon öfters verletzt?

Beim Biken: Prellungen, Schürfungen, Gehirnerschütterung, Verstauchungen, Fleischwunden. Nichts Dramatisches.

Bist du nur auf dem Bike oder machst du auch andere Sachen?

Nur Biken wäre mir eindeutig zu einseitig, auch wenn ich glaube ja recht vielfältig mit dem Rad unterwegs zu sein. Sportlich bin ich viel in den Bergen unterwegs beim Bergsteigen, Klettern, Bouldern, im Winter auf den Ski, Telemark und dem Snowboard, vor allem am Touren gehen. Zum Ausgleich Gymnastik, Dehnen, Yoga und Entspannen! Herrlich, mal ein paar Stunden einfach am Balkon liegen und die Aussicht geniessen. Auch ein Buch fällt mir hin und wieder in die Hände und ich lese darin.

Camping in Oman
Neben seinen Abenteuern rund um die Welt, lässt es Gerhard Czerner auch gerne mal ruhig angehen.

Was wünschst du dir für die Zukunft?

Persönlich wünsche ich mir, das ich gesund bleibe. Von der Bikecommunity wünsche ich mir Toleranz und Respekt, Anderen und der Natur gegenüber.

Was willst du unsere Community unbedingt noch sagen?

Schaltet öfter das Smartphone aus und die Sinne an. Live – Love – Ride! Danke Euch, Grüsse, Gerhard

Noch nicht genug von Gerhard Czerner?

Dann lohnt sich ein Besuch auf seiner eigenen Webseite oder folgt ihm auf Instagram.

Ich hoffe Gerhard auch einmal in freier Wildbahn anzutreffen und nicht nur an der Eurobike :-).

Foto Credits

Alle Fotos wurden von Gerhard Czerner zur Verfügung gestellt. Die Fotos dürfen ohne seine Einwilligung nicht kopiert oder weiterverwendet werden.

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Marc Schürmann

Ich wurde 1983 geboren und wohne in Graubünden. Ich bin der Gründer von allmountain.ch und blogge über meine grösste Leidenschaft, dem Mountainbiken.

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