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Halten die Flip-Chips für Mountainbikes wirklich, was die Bikehersteller versprechen oder sind sie bloss eine Spielerei? Machen Flip-Chips den Unterschied oder sind sie ein Verkaufstrick? Ist die Veränderung der Geometrie spürbar? Unsere Meinung zu Flip-Chips am MTB.

Flip-Chips am MTB

Wenn du dich auf ein modernes MTB schwingst, ist es wahrscheinlich, dass das Mountainbike über eine verstellbare Geometrie in Form eines «Flip-Chips» verfügt. Unsere Bikes haben ebenfalls verstellbare Geometrien, nicht nur am Hinterbau per Flip-Chip, sondern auch der Lenkwinkel können wir teilweise verstellen.

Was ist ein Flip-Chip?

Flip-Chips gibt es schon seit geraumer Zeit an Mountainbikes. Die ersten Flip-Chips machten aus einem schlechten MTB ein etwas weniger schlechtes Bike. Aber mit dem Fortschritt der Mountainbike-Technologie und der Entwicklung der perfekten Geometrie durch die Fahrradhersteller gibt es immer mehr Bikes mit Flip-Chip am Hinterbau.

Da stellt sich die Frage: warum braucht es? Warum gibt es in einer Welt, in der die Rahmengeometrie nahezu perfekt ist, immer mehr MTB-Hersteller, die Bikes mit verstellbarer Geometrie anbieten? Macht ein Flip-Chip wirklich einen so grossen Unterschied in der Geometrie? Solltest du unbedingt ein MTB mit einem Flip-Chip kaufen? Sind Flip-Chips letztlich nur ein Verkaufstrick der Mountainbike-Industrie? Wir würden sagen, ja, grösstenteils.

Variotec variablet Hinterbau beim Bold Unplugged Volume 1 MTB
Bold nennt seine Verstellmöglichkeit am Unblugged Volume 1 Variotec. | © Marc Schürmann

Was bewirkt ein Flip-Chip am MTB?

Natürlich ist jedes MTB ein bisschen anders, nicht nur bei den Komponenten, der Kinematik, dem Preis, sondern auch bei der Geometrie. In der Regel bewirkt ein Flip-Chip Folgendes:

  • Der Winkel deines Steuerrohrs wird um 0,5 Grad flacher oder steiler
  • Der Winkel deines Sitzrohrs wird um etwa das gleiche Mass verkleinert oder vergrössert.
  • Der Radstand, Reach wird um einige Millimeter verlängern oder verkürzen und das Tretlager erhöht oder gesenkt.

Hast du den Flip-Chip an deinem MTB schon einmal gedreht?

Viele Hersteller schwören auf Flip-Chips

Während viele Bikehersteller einen Rahmen mit Flip-Chip anbieten, gibt es nur wenige, bei denen sich die Geometrie deutlich anpassen lässt. Mountainbikes wie mein altes Unplugged Volume 1 von Bold haben einen verstellbaren Steuersatz und einen Flip-Chip an der Hinterachse, mit dem der Winkel des Steuerrohrs von 63,3 Grad auf 65,9 Grad verringert werden kann. Der Sitzwinkel ändert sich dadurch auch von 76,5 auf 78,3 Grad. Die Kettenstreber verlängert sich um 10,8 mm in der «long» Einstellung. Mit den Steuersatzschalen und dem Mino-Link lässt sich das neue Fuel EX von Trek auf ähnliche Weise verändern. Aber viele Flip-Chips erlauben nur kleine Änderungen.

Santa Cruz, Specialized, YT, Trek – von den grossen Herstellern auf dem Markt, über die Direktanbieter bis zu den örtlichen Bikeshops – wir haben viele Marken auf den Flip-Chip-Zug aufspringen sehen. Und inwieweit verändert das Umdrehen des Flip-Chips die Geometrie deines Mountainbikes?

Nachteile von Flip-Chips am MTB

Bei fast unmerklichen Änderungen der Geometrie ist es manchmal etwas übertrieben, einen Flip-Chip als «verstellbare Geometrie» zu bezeichnen. Meistens beschränkt sich die Verstellbarkeit der Geometrie dieser Bikes mit Flip-Chip auf ein halbes Grad und ein paar Millimeter in jede Richtung. Ja, du stellst deine Geometrie ein, aber ist das genug, um es zu merken?

Der Name klingt übertrieben

Wir könnten auch behaupten, dass der Name Flip-Chip allein schon ein bisschen übertrieben ist. Der Name dieser Technologie suggeriert Schnelligkeit und Leichtigkeit, da du scheinbar mega easy ist, deine Geometrie am Bike anzupassen. Jede:r Besitzer:in eines Mountainbikes mit einem in den Rahmen integrierten Flip-Chip wird dir sagen, dass das normalerweise nicht der Fall ist.

Geometrie verändern dauert

Bei den meisten Flip-Chips dauert das Umstellen locker 15 Minuten, wenn nicht länger. In den meisten Fällen ist der Wechsel des Flip-Chips deines Mountainbikes von «high» auf «low» oder von «short» auf «long» ein ziemlich langwieriger Prozess. Hier die Schritte, um den Flip-Chip am Hinterbau neu einzustellen:

  • Zuerst musst du die Luft aus deinem hinteren Dämpfer ablassen.
  • Du entfernst mit einem Inbusschlüssel die Schraube, mit der der Flip-Chip und Dämpfer befestigt sind.
  • Du entfernst die Flip-Chips selbst und setzt sie umgedreht wieder ein.
  • Du richtest den Dämpfer neu aus, um die Schraube wieder eindrehen zu können.
  • Jetzt schraubst du die Schraube rein und füllst deinen Dämpfer wieder mit Luft.
  • Den Sag musst du neu einstellen, falls du dir den Luftdruck vor dem Ablassen nicht gemerkt hast.

Bist du nicht darin geübt, dann vergeht schnell einmal eine halbe Stunde, bis du den Flip-Chip am Bike gedreht hast. Als Nächstes geht es an die Testfahrt, um das neue Verhalten deines Bikes zu testen. Nicht zufrieden? Dann darfst du den Prozess von oben noch einmal wiederholen. Damit kannst du dich den ganzen Tag beschäftigen, ohne wirklich viel mit dem Bike gefahren zu sein.

Cockpit am Bold Unplugged Volume 1 MTB
Auch die Lagerschale im Steuersatz ist bei vielen Bikes variabel, damit kann der Lenkwinkel verändert werden. | © Marc Schürmann

Sie sind nicht praktisch

Wenn dir der Aufwand zum Einstellen des Flip-Chips nicht bewusst ist, könntest du leicht denken, dass dieser im Handumdrehen einfach verstellt werden kann. Im Uphill fährst du locker mit der Einstellung «high» und für die Abfahrt drehst du den Flip-Chip schnell auf «low». Wir haben unsere Flip-Chips noch nie während der Fahrt gewechselt und wir haben auch noch nie jemanden gesehen, der das getan hat. Würden wir dies auf der Biketour machen, hätten wir bald keine Bike-Buddies mehr.

Keiner will hören: «Wartet mal, Leute, ich muss nur meinen Flip-Chip drehen. Das dauert doch nur schnell 20 Minuten …». Oh, und hoffentlich hast du deine Dämpferpumpe und deinen Drehmomentschlüssel dabei, sonst stehst du da und das war es dann mit deinem Tag auf dem Bike.

Das einzige und bekannte MTB, welches die Geometrie und Kinematik ohne Flip-Chip ändern kann, ist das Canyon Strive mit seiner Shapeshifter Technologie. So einfach, dass man das Verstellen der Geometrie auch wirklich nutzt.

Sie bleiben oft ungenutzt

Wenn ein:e Mountainbiker:in erst einmal herausgefunden hat, wie man einen Flip-Chip verstellt und welche kleinen Geometrieanpassungen damit verbunden sind, machen sich viele gar nicht mehr die Mühe, den Flip-Chip zu verwenden. Obwohl kein Fahrradhersteller damit wirbt, dass man den Flip-Chip einfach einbauen und vergessen kann, scheint das oft der Fall zu sein.

Beliebte Mountainbike-Foren sind voll von Flip-Chip-Diskussionen, bei denen die MTB-Community ein gemeinsames Thema haben: Sie wechseln ihren Flip-Chip einfach nicht. Was auch immer der Grund sein mag, die Realität ist, dass die Geometrieverstellung oft ungenutzt bleibt.

Vorteile von Flip-Chips am MTB

Eine Verringerung des Steuerrohrwinkels um ein halbes Grad oder eine Verkürzung des Reach um ein paar Millimeter ist sicher nicht so auffällig. Trotz der scheinbar unbedeutenden Zahlen ist ein Flip-Chip dennoch eine Geometrieanpassung.

Geometrieanpassung eine gute Sache

Die Möglichkeit, das Fahrgefühl deines Mountainbikes einzustellen, ist primär ja eine feine Sache. Der Vorbau ist ein bisschen zu lang? Kaufe keinen neuen Vorbau, sondern tausche den Chip aus! Das Tretlager ist ein bisschen zu niedrig? Kaufe keine kürzeren Kurbeln. Stell den Flip-Chip auf «high». Es gibt Momente, in denen diese «unbedeutenden» Millimeter tatsächlich etwas ausmachen können.

Der Preis ist stabil

Neue Produkte und «exklusive» Technologien treiben die Kosten stets in die Höhe. Das ist in der Bikebranche nicht anders. Glücklicherweise haben wir gesehen, dass ein Bikehersteller nach dem anderen Rahmen mit Flip-Chip-Technologie anbietet. Da Flip-Chips bei Mountainbikes inzwischen fast so verbreitet sind wie eine absenkbare Sattelstütze, sind die Kosten zum Glück relativ stabil.

Viele Bike-Brands bieten Kompletträder mit Flip-Chip für unter CHF 4’000 an, was für viele das obere Ende eines «Budget»-Bikes darstellt. Und wenn die Flip-Chips schon so gut sind, wie sie scheinen, musst du wenigstens nicht so viel Geld für ein MTB mit Flip-Chip ausgeben.

Gekommen, um zu bleiben

Trotzdem sieht es so aus, als ob sich die Flip-Chip-Technologie durchsetzen wird. Ist sie eine gute Sache? Ja, so ziemlich, würden wir sagen. Wird es deine Fahrweise gänzlich verändern? Nein, wahrscheinlich nicht. Deshalb haben wir den Flip-Chip an unseren Bikes, wenn überhaupt, nur einmal verstellt und wir können nicht behaupten, dass wir einen grossen Unterschied bemerkt haben – oder überhaupt einen.

Vielleicht nur Einbildung?

Vielleicht haben wir jetzt das Gefühl, dass wir mehr Bodenhaftung haben. Vielleicht stehen wir zentraler auf dem Bike. Vielleicht fühlen wir uns selbstbewusster auf dem Trail. Vielleicht.

Vielleicht bilden wir uns das alles aber nur ein. Wenn wir die Einstellung des Flip-Chips verstellen, merken wir dann wirklich einen Unterschied oder bilden wir uns da das nur ein? Liegt es tatsächlich an der veränderten Geometrie oder sind es unsere Erwartungen ans Bike, die erfüllt werden? Was meinst du? Macht sich die Veränderung der Flip-Chips bemerkbar? Schreibe es uns in die Kommentare.

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Marc Schürmann

Ich wurde 1983 geboren und wohne in Graubünden. Ich bin der Gründer von allmountain.ch und blogge über meine grösste Leidenschaft, dem Mountainbiken.

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