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Immer wieder sehe ich Stelleninserate von Feriendestinationen oder Tourismusorganisationen mit dem einleitenden Satz: «Arbeiten, wo andere Ferien machen». Doch warum soll ich da arbeiten, wo andere ihren Urlaub verbringen? Es heisst ja auch nicht: «arbeiten, wenn andere freihaben.» Es gibt doch nichts, dass dich mehr runterzieht, als zuzusehen, wie andere ihren Ferien geniessen oder ihren freien Tag verbringen und ich nebenbei arbeiten muss. Trotz allem kann es sich lohnen, da zu arbeiten, wo andere Ferien machen. Die Gründe werde ich jetzt einmal erläutern. Aber bitte hört mit diesem Slogan auf, da der Satz «arbeiten, wo andere Ferien machen» nichts aussagend ist und jetzt auch kein positives Gefühl vermittelt.

Gründe, die dafür sprechen

Was sind die Vorteile da zu arbeiten, wo anderen ihren Urlaub verbringen? Wir arbeiten selbst in Lenzerheide, eine Ferienregion, die vom Tourismus lebt, und uns gefällt es nirgends mehr, als hier in Lenzerheide zu sein, mit all ihren Vor- und Nachteilen.

Infrastruktur

Lenzerheide, oder korrekter ausgedrückt, die Gemeinde Vaz/Obervaz hat rund 2’700 Einwohner:innen. Ein Dorf, wie viele andere auch, nicht grösser, nicht kleiner. Doch im Vergleich zu einem nicht touristischen Dorf, ist die Infrastruktur in der Destination schon beinahe stadtähnlich. Lenzerheide bietet mehrere Einkaufsläden, die während der Saison auch sonntags geöffnet haben, ein Hallenbad, Fussballplatz, Eishalle, Tennisplätze, kostenlose öffentliche Verkehrsmittel innerhalb des Dorfs, etliche Restaurants, Bäcker, eine Metzgerei und vieles mehr. Es gibt öffentliche Feuerstellen, bei denen kostenlos Holz zur Verfügung steht. Welches normale Dorf kann schon mit so einer Infrastruktur punkten? Wir wohnen und arbeiten somit in ländlicher Atmosphäre und geniessen die infrastrukturellen Vorteile einer Kleinstadt – und das haben wir, weil andere hier Ferien machen.

Die Ruhe in der Zwischensaison

Die Zwischensaison ist für Einheimische. Wenn die Bergbahnen nicht laufen und die Hotels ihre Tore geschlossen haben, dann herrscht Ruhe. Das Dorfleben kehrt zurück. Die Natur gehört einem wieder (fast) ganz allein. Es ist nicht viel los im Dorf Lenzerheide, schon fast langweilig und trotzdem ist es eine der schönsten Zeiten des ganzen Jahres. Ein Grund mehr, warum leben und arbeiten, wo andere Ferien machen, so schön ist.

Sonnenuntergang in Lenzerheide
Ruhe in der Zwischensaison. | © Marc Schürmann

Die Action in der Hochsaison

Die Ferienregion Lenzerheide ist auch bekannt für ihre Events. UCI MTB World Cup, Skiweltcup, Biathlon Grossevents, Live is Life Musikfestival und der Zauberwald sind nur einige der zahlreichen Veranstaltungen in der Ferienregion. In der Hauptsaison läuft was im Dorf und das ist gut so. Wir erreichen Spitzenevents ganz einfach zu Fuss, können spontan an ein Openair oder auch an ein klassisches Konzert. Irgendwo im Dorf läuft immer was. Die perfekte Ergänzung zur Ruhe in der Zwischensaison.

Sportplatz vor der Haustür

Über Mittag einmal um den Heidsee laufen? Nach Feierabend noch eine Runde auf dem Bike? In der Pause ein paar Kilometer auf der Langlaufloipe? Alles kein Problem, wenn man da arbeitet, wo andere Ferien machen. Klar, das geht nicht immer, die Arbeit ist nicht weniger als an anderen Orten, aber der Sportplatz ist näher – nämlich direkt vor der Haustür. Für Naturverliebte wie wir es sind, ist das extrem viel wert. Eigentlich war das unser Hauptgrund, dass wir uns entschieden haben, da zu arbeiten, wo andere Ferien machen.

Skifahren in Arosa Lenzerheide
Egal, ob Skifahren, Biken oder Wandern – Alles direkt vor der Haustür | © Marc Schürmann

Die Berge und die Natur

Morgens erwartet uns ein Arbeitsweg mit traumhafter Aussicht auf die umliegenden Berge. Abends dasselbe auf dem Heimweg. Wir gehen zur Tür raus und sind in nur wenigen Sekunden tiefenentspannt. Die Natur und die Berge sind die beste Entspannungstherapie nach einem strengen oder auch mal schlechten Arbeitstag. Wir wohnen in den Bergen, arbeiten in den Bergen und verbringen sogar unsere Urlaube in den Bergen. Wird das auf die Dauer nicht langweilig? Nein, Berge werden nie langweilig.

Die Berge – es gibt für uns nichts Schöneres | © Diana und Roger

Die Menschen

Die Einheimischen sitzen alle im selben Boot. Viele leben vom Tourismus und man teilt Freud und Leid. Das Dorfleben ist immer noch ein Dorfleben, aber auf eine gewisse Weise auch anders. Man hat nicht nur geschäftlich miteinander zu tun, sondern trifft sich auch im auf der Strasse, auf dem Lift oder am Berg. Auch die Menschen, die nicht hier wohnen oder arbeiten, sondern ihrn Urlaub hier verbringen, sind anders. Ich behaupte, dass viele, die hier ihre Ferien verbringen, weniger gestresst und fröhlicher sind. Das widerspiegelt sich in der Freundlichkeit vieler. Ausnahmen nicht ausgeschlossen.

Feierabend Biken in Lenzerheide
Aus dem Feierabendbier mit den Arbeitskolleginnen und Kollegen wird eine Feierabendbiketour. | © Marc Schürmann

Gründe, die dagegen sprechen

Natürlich ist nicht alles Gold, was glänzt, auch beim Arbeiten, wo andere Ferien machen, ist das nicht der Fall. Wohnen und Arbeiten in einer Tourismusregion bringt auch Negatives mit, das Positive überwiegt aber.

Dorfleben

Entweder man liebt es oder man hasst es. Wir sind beide im Dorf aufgewachsen und lieben das Dorfleben. Uns ist bewusst, dass dich an jeder Ecke immer jemand kennt oder auch mal über uns geredet wird. Das gehört zum Dorfleben dazu und wir finden das gut so.

Die Hochsaison

Wenn die Hütte voll ist, dann ist die voll – aber so richtig. Der Tourismus kann Fluch und Segen zugleich sein. In der Hochsaison ist das primär zu spüren. Viele Einrichtungen sind überfüllt, Restaurants sind voll, an den Bergbahnen entstehen Wartezeiten und beim Einkaufen muss man auch öfter mal an der Kasse anstehen. Das kann schon ganz schön nerven. Umso mehr freuen wir uns dann später wieder auf die Zwischensaison.

Der Verkehr

Irgendwie müssen die Menschen in die Destination anreisen und das tun viele mit dem Auto. Die Infrastruktur im Dorf ist dem aber nicht gewachsen. Die Hauptstrasse führt logischerweise durch den Dorfkern und so herrscht in der Hochsaison und an schönen Wochenende enormer Verkehr. In der Stadt sieht es aber nicht besser aus.

Geld

Reden wir über Geld. Es ist kein Geheimnis, dass das Lohnniveau in Feriendestinationen tiefer liegt. Das ist eine Tatsache. Würden wir beide in der Stadt arbeiten, hätten wir mehr Geld zur Verfügung. Wir haben uns bewusst gegen mehr Geld entschieden und bekommen dafür mehr Leben.

Unser Paradies Lenzerheide

Wir sind nun hier in den Bergen. Da, wo andere Ferien machen. Wir leben und arbeiten hier und wir wollen nicht mehr zurück. Lebensqualität ist das Motto der Stunde. Die hat sich hier extrem gesteigert. Die Arbeit ist nicht einfach oder gar weniger geworden und trotzdem ist die Freizeit mehr geworden. Wir haben keinen Anfahrtsweg mehr, sondern alles direkt vor der Haustür. Die Zelte in der Stadt und Agglomeration abzubrechen und hier in den Bergen neu aufzustellen hat sich gelohnt.

Arbeitest du an einem Ort, wo andere Ferien machen?

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Marc Schürmann

Ich wurde 1983 geboren und wohne in Graubünden. Ich bin der Gründer von allmountain.ch und blogge über meine grösste Leidenschaft, dem Mountainbiken.

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